Wer junge Baumeister sehen will, der muss dieser Tage in die Deckenpfronner Gemeindehalle gehen. Viele kleine Architekten bauen die Welt, wie sie ihnen gefällt. Baumaterial gibt es mehr als genug: Michael Kaufmann (Foto) vom Evangelisationsteam in Königshain bei Chemnitz hat um die 200.000 Legoteile mitgebracht.
Mit Palisaden, Gittern, Masten, Zäunen, Bäumen und Blumen können Gärten, ja ganze Landschaften gebaut werden. Dank Figuren, Tieren, Motorrädern, Autoteilen oder Ruder- und Schlauchbooten entstehen Lebenswelten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Mancher baut hoch hinaus, ein anderer geht mehr ins Detail. Es werden Pyramiden aufgetürmt, Bungalows hochgezogen, Ritterburgen errichtet, Fußballstadien aufgebaut, Alleen, Blumenwiesen und Wasserwelten angelegt.
An einem der Tische hat gerade einer der kleinen Baumeister die zündende Idee: „Wir machen unseren eigenen Europapark“, sagt David. Ein anderer Name aus der Bibel steht Pate für die ganze Baukunst. Der Jerusalemer Statthalter Nehemia sammelte im fünften Jahrhundert vor Christus jede Menge Freiwillige ein. Alle halfen sie mit, die zerstörten Stadtmauern wiederaufzubauen. Die ganze Stadt auf den Beinen. „Alle packten wirklich mit an“, erzählt Michael Kaufmann den Kindern.
Jeder tat dies nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Man half und unterstützte einander, gab sich gegenseitig Ratschläge und ergänzte sich. 42 Baustellen wurden eingerichtet, in 52 Tagen war die Mauer fertig. So viele Baustellen gibt es in der weitläufigen Gemeindehalle zwar nicht, doch wie einst beim Mauerbau in Jerusalem findet hier jeder seinen Platz. Gebe es die durch Corona vorgeschriebenen Abstandsregeln nicht, würde auf einer 30 Meter langen, durchgängigen Legoplatte gebaut. Nun verteilen sich die Platten auf viele einzelne Tische. Die Legotage standen auf der Kippe, doch Kaufmann hat extra ein Hygienekonzept entwickelt. Teil davon ist ein UV-Sterilisator. In den wandern die angefassten Legosteine, die nicht mehr gebraucht werden. Das Gerät erinnert ein wenig an eine Mikrowelle, ist schnell und sehr effektiv. „Mit dem UV-Licht werden Viren abgetötet“, weiß der Religionspädagoge aus dem Erzgebirge. UV-Licht nehme man auch zur Desinfektion von Operationsbesteck.
Seit mittlerweile fünf Jahren ist der Mann vom Evangelisationsteam nun schon mit all den Legokisten durch ganz Deutschland unterwegs, 13 bis 14 Wochen pro Jahr. „Das geht nur, wenn genügend Mitarbeiter vor Ort sind“, lässt Kaufmann wissen. In Deckenpfronn kann er auf 15 Leute vom Jugendkreis des Evangelischen Jugendwerks zählen. Die jungen Helfer füllen an den Ausgabestellen die von den Bauherren benötigten Materialien in kleine Plastikkästchen. In denen werden die Legoteile von den kleinen Baukünstlern zu ihren Tischen befördert. Wieder andere Mitarbeiter stehen den Kids bei den Legoplatten zur Seite, sind Ansprechpartner, geben Tipps oder sind einfach nur da.
Vom Rathaus kam grünes Licht
„Es ist der Hammer, mit welcher Begeisterung die jungen Mitarbeiter dabei sind und Verantwortung übernehmen“, freut sich Martin Höfer. Der Deckenpfronner Evangelist kann sich entspannt zurücklehnen und ganz auf die Koordination der Legotage konzentrieren. Dabei sah es lange nicht gut aus für den Legospaß. „Die aktuelle Situation ist sehr schwierig. Wir dachten, dass man das nicht machen kann“, erzählt Höfer. Im evangelischen Gemeindehaus wäre das nicht möglich gewesen, da sei zu wenig Platz. Derweil hatte Michael Kaufmann aber auf die Corona-Krise mit einem Konzept reagiert. Mit dem werden Hygienevorschriften und Abstandsregeln eingehalten. Das Konzept schickte Martin Höfer ans Rathaus. Der Plan fand Anklang, überzeugte nicht nur den Jugendreferenten Stephan Strüblin, sondern auch Bürgermeister Daniel Gött. Vom Rathaus kam grünes Licht.
Dafür ist Höfer unendlich dankbar. Denn die Legotage sorgen nicht nur für viel Spiel und Spaß, sondern machen auch Mut, geben Hoffnung und spenden Trost. „Es ist für die Kinder inmitten all der Schreckensnachrichten wichtig, die Frohe Botschaft der Bibel zu haben“, betont Martin Höfer. Diese Zeit gehe an den Kindern nicht spurlos vorüber. Bei den Legotagen leben die sieben bis 13 Jahre alten Kids ihre Unbeschwertheit, ihre kreativ-verspielte Ader aus, vergessen die schwierigen Umstände, tauchen ganz in ihre Welt ab. Da die gut durchlüftete Halle genügend Raum bietet, schaut auch schon einmal eine Mutter oder Oma von der Tribüne aus ihrem kleinen Bauherrn zu, weiß ihn gut aufgehoben.
Am heutigen Samstag können die Eltern die fertigen Bauwerke bestaunen. Sie werden auf Fotos für die Ewigkeit festgehalten. Am Sonntag werden die Bilder beim abschließenden Familiengottesdienst auf einer Leinwand gezeigt werden. Michael Kaufmann wird mit seinen Legokisten weiter durch die Lande ziehen. Bis Ende des Jahres hat der Mann aus Tellerhäuser bei Oberwiesenthal noch zehn Einsätze.
© GÄUBOTE, Rüdiger Schwarz